Montag, 14. Dezember 2020

Eisenmann will's wissen? Magistra Furiosa antwortet gern!

SCHULE IST OFFEN

"Das Wochenende war angespannnt. Seit Monaten beobachten wir Lehreinnen und Lehrer die Corona-Infektions-Lage und hören ein ums andere Mal das Abschwächen dieser, deren Zuspitzung von namhaften Wissenschaftlern prognostiziert wurde, durch Frau Eisenmann und Frau Gebauer aus NRW. 

Wir schauen zurück in den Sommer: Erst sollte ab einer Inzidenz von 50 gehandelt werden - darüber lachen wir noch immer. Die Zahlen stiegen an, vom "regionalen Lockdown" nirgendwo eine Spur. Stattdessen die Gebetsmühle: die Schulen müssen offen bleiben (als wäre Präsenz das einzige Mittel für Bildungsgerechtigkeit! Das ist es dann, wenn die Ministerien keine Alternativen zulassen, sonst nicht!).

DEHNBARKEIT DER GRENZEN - WERTE? VERGISS ES!

Wir sind nun im Dezember 2020 bei der Ausdehnung der Grenzwerte auf 300 angelangt. Wir kriechen schon seit dem Sommer auf dem Zahnfleisch, als wir versucht haben, den Stoff doppelt vorzubereiten - für die Präsenz und den eventuellen Lockdown. Wir haben, im Gegensatz zum Kultusministerium, vorgearbeitet und etwaige Szenarien erprobt. Wir sind gut aufgestellt an unserer Schule, haben 100 Leihrechner (für Kinder aus bildungsfernen Schichten, von denen VIER abgerufen wurden!). Wir haben seit dem 6.3.2020, an dem wir das erste Wochenende als Kollegium quasi wach am Stück waren, unsere Schule digital abgebildet und liefern seit diesem SJ parallel für zuhause bleibende Kinder in der Lernplattform Moodle nach jeder Stunde, was in Präsenz gearbeitet wurde - natürlich an das Medium angepasst. Das flächendeckende Hybridunterrichten, das uns Angst, Sorge und nicht zuletzt auch gesellschaftlich Infektionsdruck genommen hätte, wurde in Baden-Württemberg vernachlässigt, Tablets, die Anfang Juli (!) an anderen Schulen bestellt wurden, kamen in der ersten Dezemberwoche und sind noch nicht eingerichtet. Wie auch? Die Kolleginnen und Kollegen bekommen nicht mal etwas dafür. Auch sie "krebsen" am zeitlichen und nervlichen Limit. 

Es ist die Anspannung mit Händen zu greifen. Ich selbst kann langsam nicht mehr. Der Spagat mit zwei Kindern, zwei Schulen, an denen ich unterrichte - also insgesamt vier Schulen mit den jeweiligen Regeln, Befindlichkeiten, etc - und einer Mutter, um die ich mich sorge, sprengt mich langsam psychisch. Meine Tante hat den zweiten Stent bekommen, sie ist alleinstehend, genauso wie mein 80jähriger Onkel. 

Wir verlieren nicht nur die nummerischen Werte. 

WIR SIND IM KRIEG

Während die Bundesregierung seit Wochen erklärt, jede/r, der/die kann, solle ins Homeoffice, müssen wir Lehreinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, an der vordersten Front stehen. Vor uns die feindliche Linie an potentiellen Aerosolspreadern, die auch nur deswegen da sind, weil es der Anstand gebietet oder die Pflicht einfordert - unsere Schülerinnen und Schüler, die genau so wie wir einfach nur seit Monaten leiden und dem Druck ebenfalls nicht mehr lange stand halten, der sich deswegen aufbaut, weil wir ja aus dem ersten Lockdown gelernt haben: es kann jeden Moment kollabieren, das System, deswegen müssen wir juristisch valide Noten generieren. Damit wir nicht vors Strafgericht gezogen werden. Das militärische Vokabular ist bewusst. Wir alle sind das Kanonenfutter auf dem Weg von Frau Eisenmann nach oben - der Name scheint Programm.

Wenn es um die Impfung geht, dann stehen wir Kontaktpersonen ohne jeden Schutz an dritter Stelle. Die Merkmale der Risikobewertung wurden zurückgestuft - Hypertonie, Übergewicht, Diabetes gelten der Einfachheit halber nicht mehr als Risikofaktor - seid ja selbst schuld, wenn es euch erwischt, sind Zivilisationskrankheiten. Was fresst Ihr auch vor dem Rechner?! JA, WIESO?! Wer den Job ernst nimmt, hat seit NEUN MONATEN keine Zeit mehr, so einfach ist das. Weil wir selbst in den Sommerferien Mailverkehr hatten, um uns vorzubereiten, Mut zuzusprechen, Angst zu nehmen. Weil wir nebenbei kranke Kinder beschulen, die nicht in die Schule sollten - und unsere eigenen: aus Vernunft! Weil wir als Mütter und Lehrerinnen auch noch die übliche "Sorgearbeit" machen - die älteren Verwandten im Blick haben, ggf. einkaufen, damit sie nicht infiziert werden.

Mich verlassen langsam meine Kräfte, denn ich habe seit MONATEN das getan, was sinnvoll ist: alle anderen Kontakte reduziert. Dadurch wird vieles schwerer, nicht zuletzt das Leben meiner Kinder, die hier mitziehen. Seit Monaten nur ein oder zwei ausgewählte Freunde treffen. Schulisch begleiten kann ich sie nicht, weil ich selbst an die Schule muss. Homeoffice? Geht nicht, weil ja alle Kinder beschult werden müssen. Ausnahmslos. Durchgängig. IMMER. Egal, wie die Infektionsraten sind.

DIFFERENZIERUNG? ABER NUR FÜR EUCH ALS LEHRER!

Diese Gleichsetzung von fast erwachsenen "Schulkindern" mit Kita-Kindern und Grundschulkindern ist nur einer der "Denk-"Fehler dieses Ministeriums - nähme es nämlich die vom gleichen Ministerium in Auftrag gegebenen Studien zur Infektiosität von Kindern und Jugendlichen ernst, höbe es die gesellschaftlich-moralische Schulpflicht im Sinne eines Präsenzunterrichts für die Über-Zehnjährigen auf. Stattdessen wiederholt Eisenmann das Mantra: "Die Schulen sind keine Infektionstreiber!" - man möchte gerne wissen, woher sie ihre Expertise für dieses Narrativ nimmt. Zahllose Studien stehen dagegen, raten an, die Altersgruppen zu differenzieren, zwischen Infektiosität, Virenbelastung und Kindern als asymptomatische aktive Vektoren zu differenzieren. Das Long-Covid-Syndrom bei asmptomatischen Menschen wurde entdeckt, jede/r Biologe kann ihr erklären, dass die Strategie dieses Virus ist, über die Jüngsten unbemerkt in die Populationen vorzudringen, um die Alten und Schwachen im Sippenverbund zu eliminieren. Ein sehr hilfreiches und einfaches, ein effizientes , biologisches Prinzip. Man sollte dazu stehen, wenn man es erkennt - und nicht so tun, als sei jede/r selbst verantwortlich für das eigene Wohl und Wehe.

Der zweite "Denk-"Fehler: Beamte sind unkaputtbar!

Ich bin mittlerweile ausgebrannt. Ich habe die letzten 15 Jahre lang diesen Beruf sehr gerne gemacht. Mich fortgebildet, bin Ethiklehrerin und Theaterlehrerin im Zusatzstudium berufsbegleitend geworden, habe jetzt vier Fächer und Grundlagen in der Gewaltprävention. Meine Kinder, meine Schülerinnen und Schüler, sind mir wichtig. Der Beruf an sich ist großartig, auch wenn er per se schon Nerven kostet, aber das wusste ich. 

Nur... jetzt erwäge ich tatsächlich den Rückzug. Ich fühle mich verheizt, respektlos ausgebeutet ("Wir machen hier keine Ferien für die Lehrer!"); nachdem ich monatelang Ängste gelindert und den Stoff sinnvoll portioniert habe. Wer mich genauer kennt, weiß, dass ich niemand bin, der bei einfacher Belastung jammert, ich korrigiere auch mal freiwilllig ein Abitur mehr oder schreibe unbezahlt pädagogische Konzepte oder Jahrbücher. Nebenher redigierte ich auch für einen Schulbuchverlag - einfach, weil ich gerne arbeite. Aber es reicht mittlerweile. 

Ihr macht mich kaputt - und mit mir viele andere, über deren "mangelnde Empathie", deren "Egoismus", deren "Faulheit" ihr dann schimpft, wenn Ihr selbst wieder die Kraft habt....

SCHLUSS - ES REICHT!

Es reicht einfach, dass wir nicht nur die Belastungen unter Pandemiebedingungen, sondern dazu noch den fehlenden Respekt und die Sorglosigkeit der Politik ertragen müssen. Selbst "die Gesellschaft" hat mittlerweile verstanden, was da auf unserem Rücken veranstaltet wird. Und nicht nur auf unserem. Auch viele Kinder und Jugendliche, ihre Eltern und Großeltern, sind in Sorge. War im Mainstream der Bevölkerung vor sechs Monaten noch der Glaube gesetzt, "die Lehrer wollen halt nicht", erkennen die Schimpfenden jetzt: sie wollen - KÖNNEN und DÜRFEN aber nicht. Es fehlt das juristische Gerüst, die technische Ausstattung und ja, bei manchen, meist älteren, Kolleginnen und Kollegen auch die didaktische Schulung. Aber wann in diesen letzten Monaten hätten sich die Kolleginnen und Kollegen denn schulen lassen sollen? Zwischen 22 Uhr und 3.00? 


FRAGEN AN .....EISENMANN WILLS WISSEN?! ACH GEH, BAUER!

Fassungslos beobachten wir ausgeschüttete Alibimaßnahmen wie "Kindergeld-Sonderbonus", stinkende FFP2-Masken, OP-Masken mit Verspätung - das Geld dafür hätte in Luftwäscher längst investiert sein können, wäre es um Hilfe gegangen. Aber man begnügt sich diesbezüglich mit gefällig erstellten Gutachten des Umweltbundesamtes und lässt Kinder und Lehrer frieren. Natürlich ist das Lüften die beste Lösung - aber Luftwäscher würden die Anwesenden entspannen! Haben Sie jemals versucht, durch eine FFP2-Masle eine dreiviertel Stunde lang zu sprechen, Frau Eisenmann? Haben Sie überhaupt jemals unterrichtet? Wohl kaum. Sie sprechen von Schule also als... ja, als WAS? WOHER nehmen Sie das Recht, über diese Insttutionen zu sprechen, außer aus ihrer eigenen, offenbar eine Weile zurück liegenden, Schulzeit? Haben Sie versucht, INHALTE, durch das Rauschen einer 28-köpfigen Klasse, Blätterrascheln, Kuliklicken hinweg, zu vermittel? Nach 30 Minuten haben Sie Halsschmerzen, gehen aber nicht heim, obwohl das ein Covid-Symptom wäre, weil Sie als Lehrkraft nämlich, wider alle Unkenrufe, mehr Anstand im Leib haben als alle Minister der Landes- und Bundesregierungen zusammen. SO ist es nämlich. Nach einer Dopplestunde ächzen Sie - und dürfen sich, falls Sie die Maske kurz abnehmen, im Falle einer Covid-Erkrankung anhören, dass Sie sich wohl nicht an die Abstands- und Hygieneregeln gehalten hätten, denn aus den Schulen könne die Erkrankung nicht kommen - die sind ja sicher, wie die Gutachten aus den Sommerferien bewiesen.

Wenn Sie es wissen wollen, probieren Sie es doch bitte einen Schultag lang mal aus, liebe "Bildungsminister*innen der 16 Länder!

NICHT RELEVANT - HEUTE SO, MORGEN SO!

Damit nicht genug: Als arbeitsbedingte Erkrankung, nachdem Sie in die Schule oder Kita gedrängt wurden, obwohl Sie offensichtlich zu einer Risikogruppe zählen, die Sie im Frühjahr noch invalidisiert hat, gilt das Covid-Syndrom nämlich nicht. So ist das in Deutschland - Rücksichtslosigkeit um jeden Preis und auf Kosten der "Systemrelevanten". Ach was - das sind Lehrer ja nichtmal. Nein, wir sind nicht relevant.

Dann noch die Häme.  Stellt Euch doch nicht so an, was soll denn "der Arzt"/ "die Kassiererin"/ "xy" sagen? Ja, vermutlich das Gleiche wie wir: dieses System ist Mist, in dem alles aus Angst vor ein paar gegenredenden Leerdenkern bis zum Schluss gedehnt wird, um dann zu kollabieren. SO geht es nicht weiter. Wir können nicht mehr.  Seit Monaten bewegen wir uns mit unseren Familien am Rande des Abgrundes, machen es garantiert niemandem recht und sind der Willkür und der fehlenden Planungsbereitschaft der Kultusministerien ausgesetzt. 

Kein Arbeitgeber außer dem Staat dürfte sich so verhalten. Kein Arbeitnehmer würde dieses Pensum an unbezahlter Mehrarbeit machen. Ja, wir gehören zur privilegierten Gruppe der sicheren Arbeitsplatzinhaber. Und JA, dafür tun wir auch viel. Aus Idealismus, verdammt nochmal. Aus Liebe zu diesem Beruf. Und aus Achtung vor den uns anvertrauten Kindern und Jugendlichen. Wir tun sehr viel Ungesehenes. Und eben auch sehr viel Unbeachtetes. Von der "normalen" Bevölkerung erwarte ich weder Klatschen noch Dankeslieder. Und von meinem Arbeitgeber keine Schweigegelder wie die lächerlichen 600 Euro "Bonus" für die Schulleitungen. Jemand, der in "der Wirtschaft" arbeitet, lacht sich darüber schier schlapp - weil es in keinem Verhältnis steht zum Geleisteten. Was ich aber erwarte, WENIGSTENS vom Arbeitgeber, ist RESPEKT.

Ihre zu den Ministerbriefen wiederholt dazu geschriebene "Dankesworte", Frau Eisenmann, drücken diesen Respekt nicht im Mindesten aus - sie wirken wie ein Schlag ins Gesicht!

HANDELN SIE ENDLICH, statt weiter leere Worte zu produzieren, sonst MÜSSEN Sie sich tatsächlich irgendwann selbst vor die Klassen stellen - Menschen mit diesem Grad an Belastbarkeit, wie wir ihn derzeit demonstrieren, zusammen mit unserem abgelegten hochqualifizierten Studium in Fremdsprachen, Naturwissenschaften und Praxiserfahrung im methodisch-didaktischen Bereich oder sogar Coachingkompetenzen werden nach dem wirtschaftlichen Kollaps nämlich als Führungskräfte zum Wiederaufbau gesucht!" (ak)

#hörtunszu